Wechselseitige Verfügung im Erbvertrag: BGH betont stärkere Bindungswirkung

Hintergrund: Erbvertrag versus handschriftliches Testament
Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. März 2025 sorgt für Aufsehen im Erbrecht: Der IV. Zivilsenat stellt klar, dass die Bindungswirkung eines Erbvertrags grundsätzlich stärker ist als die von wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament.
Im zugrundeliegenden Fall hatten Ehegatten einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie ihren Sohn als Alleinerben nach dem Tod beider Eltern einsetzten. Die drei Schwestern sollten abgefunden werden und auf Pflichtteilsansprüche verzichten. Der Sohn verpflichtete sich zudem, für die Abfindung zu sorgen, falls die Eltern hierzu selbst nicht mehr in der Lage sein sollten.
Doch der Fall nahm eine Wendung: Nach dem Tod des Vaters und des Sohnes setzte die Mutter ihre „älteste“ Tochter per handschriftlicher Notiz zur Alleinerbin ein – und ignorierte damit den ursprünglichen Erbvertrag.
OLG: Testament wirksam – keine Ersatzerbenstellung der Enkel
Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hielt diese neue letztwillige Verfügung für wirksam. Es wandte die Vorschriften des § 2269 BGB (gegenseitige Einsetzung) und § 2270 BGB (wechselbezügliche Verfügungen) analog auf den Erbvertrag an. Die Mutter habe daher ein neues Testament errichten dürfen. Eine Ersatzerbenstellung der Kinder des verstorbenen Sohnes sei nicht gegeben, weil der Erbvertrag keine entsprechende Regelung enthalte.
BGH: Erbvertragliche Bindung überwiegt
Der BGH entschied jedoch anders: Die Kinder des verstorbenen Sohnes sind als Ersatzerben anzusehen – und zwar kraft ergänzender Vertragsauslegung. Einseitige Änderungen durch die Mutter seien nicht zulässig, da sie sich keinen Rücktritt vom Erbvertrag vorbehalten habe.
Wichtig: Der BGH stellte klar, dass die Vorschriften über wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nicht auf Erbverträge übertragbar sind. Die Bindung eines vertraglichen Erbversprechens sei wesentlich stärker.
Die Karlsruher Richter verwiesen auf den mutmaßlichen Willen der Vertragsschließenden: Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass Eltern nicht nur den Erben selbst, sondern dessen gesamte Linie („Stamm“) bedenken wollen. Gerade wenn der eingesetzte Alleinerbe vorverstorben ist, sollen seine Kinder (Enkel) nicht leer ausgehen.
Praxishinweis: Sorgfältige Gestaltung von Erbverträgen entscheidend
Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung:
-
Vertragliche Bindungen im Erbvertrag sind sehr stark – ein Rücktrittsrecht muss ausdrücklich geregelt sein.
-
Ersatzerben sollten im Erbvertrag ausdrücklich benannt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
-
Ein handgeschriebener Zettel reicht nicht aus, um einen Erbvertrag wirksam abzuändern.
-
Die Testierfreiheit ist bei einem Erbvertrag deutlich eingeschränkt, auch nach dem Tod eines Vertragspartners.
Fazit
Mit dem Beschluss vom 26.03.2025 stärkt der BGH die Verlässlichkeit des Erbvertrags und schützt gleichzeitig die Rechte der nachrückenden Generation. Wer einen Erbvertrag schließt, sollte sich der langfristigen Bindungswirkung bewusst sein – und diesen nur mit fachkundiger Beratung gestalten.