Kündigungsschutz für abberufene Geschäftsführer: LAG Hessen stärkt Arbeitnehmerrechte

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen mit Urteil vom 24.01.2025 entschieden und sich damit klar für einen weitergehenden Kündigungsschutz ehemaliger Organvertreter ausgesprochen.
Worum ging es im Fall?
Ein langjähriger Mitarbeiter war auf Grundlage eines Arbeitsvertrags als Vice President bei einer GmbH beschäftigt und wurde später zusätzlich zum Geschäftsführer bestellt. Nachdem er wieder abberufen und aus dem Handelsregister gelöscht worden war, wurde er intern als sogenannter „Special Project Manager“ geführt – ohne tatsächlich tätig zu sein.
Da das Unternehmen ihm keine vergleichbare Beschäftigung anbieten konnte, erhielt er eine ordentliche Kündigung. Der Betroffene – 53 Jahre alt, mit zwei unterhaltspflichtigen Kindern – reichte daraufhin Kündigungsschutzklage ein.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Darmstadt
Das Arbeitsgericht Darmstadt wies die Klage zunächst ab. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kläger nicht unter den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG falle – auch wenn ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Grund: Seine frühere Stellung als Geschäftsführer genüge, um den Kündigungsschutz nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG dauerhaft auszuschließen.
Auch eine Beteiligung des Betriebsrats sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG anzusehen sei.
LAG Hessen: Kündigungsschutz greift – Organstellung war beendet
Das LAG Hessen widersprach nun der arbeitsgerichtlichen Entscheidung – und stellte sich klar auf die Seite des gekündigten Ex-Geschäftsführers:
Kernaussagen des Urteils:
- § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG schließt den allgemeinen Kündigungsschutz nur dann aus, wenn der Gekündigte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich noch Organvertreter ist.
- Ist der Geschäftsführer zum Kündigungszeitpunkt bereits abberufen und aus dem Handelsregister gelöscht, greift die Ausnahmevorschrift nicht.
- Die Tatsache, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag mit einer Organstellung verbunden war, ist nicht entscheidend.
- Der Gekündigte ist nach Abberufung rechtlich wieder als Arbeitnehmer zu behandeln und genießt damit vollen Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG).
Die Kündigung wurde daher mangels sozialer Rechtfertigung für unwirksam erklärt. Die Arbeitgeberin hatte keine Gründe im Sinne des KSchG vorgetragen
Bedeutung für die Praxis – Arbeitgeber und Geschäftsführer aufgepasst!
Für Arbeitgeber:
- Der Ausschluss des Kündigungsschutzes nach § 14 Abs. 1 KSchG endet mit dem Verlust der Organstellung.
- Möchte ein Unternehmen ein Arbeitsverhältnis mit einem Geschäftsführer kündigungsschutzfrei beenden, muss dies während der aktiven Organstellung geschehen.
- Nach der Abberufung ist der gekündigte Geschäftsführer wieder als Arbeitnehmer zu behandeln – inklusive Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG).
Für Geschäftsführer / leitende Angestellte:
- Auch nach der Abberufung besteht ein Anspruch auf arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutz, sofern der zugrundeliegende Vertrag nicht als reiner Geschäftsführerdienstvertrag ausgestaltet war.
- Die Entscheidung stärkt die Position ehemaliger Geschäftsführer, die in der Vergangenheit oft pauschal vom Kündigungsschutz ausgeschlossen wurden.
Fazit: Kündigungsschutz nach der Abberufung lebt wieder auf!
Das Urteil des LAG Hessen ist ein Meilenstein im Kündigungsschutzrecht für Führungskräfte. Es schafft Klarheit bei der Frage, ob und wann ehemalige Geschäftsführer Kündigungsschutz genießen – und macht deutlich: Mit der Abberufung endet nicht nur die Organstellung – sondern es beginnt auch wieder der arbeitsrechtliche Schutz.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht also noch aus – die Grundsatzfrage bleibt spannend.